Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Kleine Schüttel-Tour zur Bode bei Treseburg 28.03.2017 Endlich Sonne, endlich Licht! Es ist außerdem richtig warm, fast schon zu sehr. Da spielen schon mal die Hormone verrückt und das Adrenalin jagt durch die Engpässe der Venen. Beine an Großhirn: „Los, raus in die Natur!“. Großhirn an Beine: „Selbstüberschätzung, alter Knochen.“ Eine Weile lausche ich dem Zwiegespräch der beiden und dann siegt die Neugier. Ich möchte sehen, wie weit die Arbeiten an der Fußgängerhängeseilbrücke, so heißt sie wirklich, an der Rappbodetalsperre fortgeschritten sind. Im April soll (angeblich) Einweihung sein und dann wird dort oben, und nicht nur auf dem Parkplatz, die Hölle los sein, denke ich mir. Da ist es eine gute Idee, jetzt und an einem Dienstag nachzusehen, ehe die Massen die Zufahrtsstraße blockieren werden, besonders an den Wochenenden. Also rein in die „Schüttel“, starten und los geht die Fahrt. Als das „Schüttel“Fahrzeug um die Mittagsstunde auf den Parkplatz, gleich hinter dem Tunnel, rollt, ist dieser schon gut zur Hälfte gefüllt. Die Schranke ist heute noch unentgeltlich geöffnet, später werden die Betreiber Euromünzen haben wollen, die zur Kredittilgung beitragen müssen. Die so eingesparten Münzen werden wir, nach der Besichtigung, für den Erwerb einer heißen Bratwurst sowie einer feinen Erbsensuppe ausgeben. Aus den Seilen, die wir Mitte Februar hier gespannt sahen, ist inzwischen eine Hängebrücke neben der Staumauer geworden. In luftiger Höhe überspannt sie den Abgrund, an dessen Boden das Wasser aus dem Staubecken in den zweiten Stausee abfließt, um dann wieder als Bode durch den Harz bis Thale, und weiter, zu fließen. Die hängende Konstruktion über dem Auslauf ist irgendwie beeindruckend und extravagant, aber sie stört auch ein wenig den Blick hinüber zu den Bergen und darüber hinaus. Mir kommt sie vor, wie ein Teil post-jugendlicher Party-Kultur, die das „Spaß haben“, also der Passivität, dem selbst Spaß machen, also aktiver Ideenfindung, vorzieht. Weil man so eine Formulierung nicht so gern auf sich sitzen lassen möchte, werden dann Leute, die das aussprechen, also Ich & Co., gern als ein wenig „von gestern“ beiseite gedrängt. Solche Gedanken im Kopf, sehe ich mir dieses Wunderwerk von der Seite an, lenke dann aber meinen Blick in die Lüfte, wo ein stolzer Greifvogel, völlig frei und stolz, seine Kreise in das Blau des Frühlingshimmels malt. Den stört diese stählerne Liane unter seinen Schwingen nicht die Bohne, weil er solcherart Krücken, um frei zu sein, nicht braucht. Der Glückliche! zum Vergrößern bitte auf die Fotos klicken Wieder in der „Schüttel“, rollen wir noch einmal über die Staumauer, zurück bis zur Straße, die wir nur eine kurze Strecke befahren, um nach rechts in Richtung Treseburg abzubiegen. Von jetzt an befahren wir Neuland im Harz. Es geht ziemlich steil nach unten, an einer Baustellenampelanlage vorbei, bis das schmale Straßenband vor uns, sich parallel zur Bode windet. Auf einem Rastplatz macht die „Schüttel“ Rast und wir eine kleine Pause, um diesen Ort zu genießen. Es ist still hier, nur die Bode flüstert leise fließend durch das Tal. Trotz der Straße ist dies hier ein Fleck wie im Märchen. Es fühlt sich irgendwie an wie das Eintauchen in eine andere Welt. Wir fahren langsam weiter und als die ersten Häuser des kleinen Örtchens Altenbrak auftauchen, meine ich sogar, in einer anderen Zeit gelandet zu sein. Mir ist wie Jahrzehnte zurück gestrandet, wären nicht die bekannten Automarken auf den engen Höfen oder am Straßenrand abgestellt. Auch zwei Kilometer weiter, in Tresenburg, habe ich den gleichen Eindruck von Gelassenheit. Natürlich sind die kleinen Häuschen gepflegt, es gibt Werbung und all die anderen Anzeichen der Moderne und dennoch, diese Stille wirkt wie ein Zeichen von gestern, als gäbe es hier so etwas wie Zeit oder Hektik schon lange nicht mehr. Mitten im Örtchen stellen wir die „Schüttel“ ab. Diese Ruhe möchten wir aufsaugen, mitnehmen und konservieren, wenn es denn ginge. Viele der Häuser sind direkt an und in die Berghänge gebaut. Sie haben kleine Terrassen davor oder manchmal nur eine Sitzbank, als wolle man Fremde einladen, zu bleiben. Auch das ist völlig anders, so zumindest mein ganz persönlicher Eindruck. Man spürt, trotz der altertümlichen Ruhe im ort, dass sich hier viel getan hat. Mir hat es vor allem ein eigenartiges Denkmal in der Ortsmitte angetan. Rücklings auf einem Schwein sitzend, reitet ein Zwerg mit einer Laterne in der Hand durch die Gegend. Vielleicht ist die Wildsau ein Hinweis auf die üppige Natur und der Zwerg symbolisiert die Bergbautradition, die es hier einmal gegeben haben mag. Von einer freundlichen Einheimischen lasse ich mir sagen, wohin man gehen muss, um die berühmten Stempelstellen zu finden. Dabei zeigt sich weit nach ganz oben, wo auf dem Kamm ein großer Mast steht. Weil ich weiß, dass Treseburg auf ca. 270 Metern liegt, der Kamm da oben aber locker über 400 Meter hoch ist, schenke ich mir das Erklettern der Differenz. Ich müsste ja auch wieder runter. Beine an Großhirn: „Der olle Rentner hat ja wohl einen Knall!“ Schönen Dank, auch. zum Vergrößern bitte auf die Fotos klicken Wir entscheiden uns, dem Lauf der Bode zu folgen, die an dieser Stelle Verstärkung durch den Zufluss der Luppbode erhält. Nach dem Überqueren der Brücke gelangen wir zum Wanderweg. Der führt am Ufer der Bode entlang, schlängelt sich neben dem Fluss durch das Tal und überwindet zudem mehrere Hindernisse in Gestalt von Felsformationen. Nichts für meine Knochen (siehe oben)! Also schlendern wir drei ganz gemütlich am Ufer entlang, lauschen dem Plätschern des Wassers und entdecken überall in der Natur versteckte Geheimnisse: Blumen, Steine, Wurzeln, Käfer und kleine Rinnsale. Alte Bäume liegen umgefallen im Uferbereich und haben Moose und Flechten angesetzt. Im grellen Sonnenlicht, das durch die kahlen Zweige dringt, leuchtet die Szenerie in einem grünen Lichtspiel, das durch viele kleine Wellen im Wasser verstärkt und reflektiert wird. Es ist einfach zauberhaft und wir beschließen, im Sommer, wenn alles grünt und blüht, wieder hierher zu kommen, um die Natur zu erkunden und die Stempelstellen zu erobern. Als die „Schüttel“ am anderen Ende Treseburg verlässt, steigt die Straße auch wieder an. Wir fahren jetzt am Tal der Bode entlang immer höher und höher. Kurz vor dem Abzweig nach Thale blicken wir noch einmal zurück über das Tal und die grandiose Schönheit der Natur. Dann rollen wir „geschüttelt“ wieder heimwärts wohl wissend, dass es nur einer Idee bedarf, um Minuten später schon wieder dem Harz ein weiteres kleines Geheimnis zu entreißen. So eine „Schüttel“ ist schon ein toller Partner!
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, zufälligen Begegnungen und Entdeckungen im Harz.